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27.9.2002
  
Pressemitteilung und Spendenaufruf


Die tschechische Stadt Terezín / Theresienstadt ist am 16. August - wie die gesamte Region im Bereich des Zusammenflusses der Flüsse Elbe und Ohre - von einer schrecklichen Flut heimgesucht worden.

Auch die Gebäude und Anlagen der GEDENKSTÄTTE THERESIENSTADT sind überflutet worden.
U.a. stand im Ghetto-Museum, in der "kleinen Festung" (ehemaliges Gestapo-Gefängnis) und in den Gebäuden der Begegnungsstätte das Wasser 1,50 - 2 m hoch.
Große Teile der Archivbestände und Sammlungen, der technischen Ausstattung (PCs, Telefon-anlage, Medien, Heizungen, Großküchengeräte etc.), des Mobiliars und der Gebäude selbst sind stark beschädigt oder zerstört.

Nach einer ersten Schätzung liegt der Schaden bei 2 Mio. EURO. Die Funktion und Arbeit der Institution ist auf unabsehbare Zeit stark beeinträchtigt.

Die Leitung der GEDENKSTÄTTE THERESIENSTADT appelliert an alle Menschen, denen die Existenz und die Arbeit der Einrichtung am Herzen liegt, einen Spendenbeitrag zur Beseitigung der Schäden und zum Wiederaufbau zu leisten.

   Spenden
mit dem Stichwort Theresienstadt bitte auf unser Konto:

VVN-BdA Kaiserslautern
KSK Kaiserslautern
BLZ: 540 502 20
Kto-Nr.: 100 651 678


Wir leiten sie dann zentral weiter und informieren von Zeit zu Zeit über den Stand.

Theresienstadt nach der Flut

Ein Bericht über die Schäden in der Gedenkstätte Theresienstadt

Michal Frankl (Editor der holocaust.cz Website)

31. August 2002

Die Kleinstadt Terezín (der tschechische Name Theresienstadts) und die Gedenkstätte Terezín sind von der Flut sehr stark getroffen worden. Am Freitag, den 16., und Samstag, den 17. August, wurde Terezín, wo während des Zweiten Weltkrieges über 150 000 Juden ghettoisiert wurden, und die sogenannte Kleine Festung, die als Gestapo-Gefängnis diente, vom Hochwasser völlig überschwemmt. Auf den Stadtplätzen und in den Strassen Terezíns stand das Wasser 1,5 Meter hoch, in der Kleinen Festung noch mehr. Die in den Tageszeitungen veröffentlichten Bilder zeigten unter Anderem ein Kanu als einzig mögliches Verkehrsmittel im Rathaus auf dem Hauptplatz von Terezín, oder den Nationalfriedhof vor der Kleinen Festung, der sich in einen trüben See verwandelte.

In diesem Bericht würde ich gerne die Schäden an der Gedenkstätte Theresienstadt schildern. Zusammen mit den Freiwilligen der österreichischen Organisation Gedenkdienst beteiligte ich mich einige Tage in Terezín an der Beseitigung der Flutschäden; weitere Informationen bekam ich von der Leitung der Gedenkstätte.

Die Situation in der Stadt

Die Flut traf alle Objekte in der Stadt. In den Tagen nach der Flut häuften sich vor jedem Haus Berge der zerstörten Dinge: Möbel, Geräte, persönliche Gegenstände, Bücher usw. Vielerorts brechen die Strassen zusammen und an den Ränden der Stadt befindet sich immer noch Wasser. Der allgegenwärtige Schmutz begleitet den Besucher auf jedem Schritt. Nur langsam werden die Leitungen für den elektrischen Strom und das Telefon erneuert.

Die Gedenkstätte Theresienstadt

Die Gedenkstätte Theresienstadt erlebte in den letzten Jahren viele positiven Veränderungen. Es wurden einige neue Ausstellungen eröffnet und neue Bildungseinrichtungen wurden in Betrieb genommen. Als Folge der Flut ist dennoch die Mehrheit der Objekte ausser Betrieb, wenn nicht gänzlich vernichtet. In vieler Hinsicht wird die Gedenkstätte völlig von Null beginnen müssen.

Die Gedenkstätte Theresienstadt erlitt ernsthafte Schäden an ihrer Ausstattung, den Ausstellungräumen und Bildungseinrichtungen, und auch manche originalen Theresienstädter Objekten sind ernsthaft beschädigt.

1. Die Kleine Festung

Die Theresienstädter Kleine Festung, die während des Weltkrieges als ein Gefängnis der Gestapo benutzt wurde, wurde völlig überflutet. Alle ursprünglichen Zellen und weitere historische Objekte des Gefängnisses wurden betroffen und schwer beschädigt, und das samt der originalen Ausstattung (Pritschen, Fussböden etc.). Am ärgsten betroffen wurde der sgn. 4. Hof, wo u.a. die alten vierstöckigen Pritschen und andere Objekte beschädigt wurden. Sehr ernst betroffen wird auch die Hinrichtungsstätte sein, die noch unter Wasser steht. Wahrscheinlich ist auch der originale Galgen vernichtet. Aus den selben Gründen kann man noch keine Schätzungen für den Untergrundsgang unter der Kleinen Festung machen. Die Rekonstruktion und Restauration dieser Gegenstände wird eine umfangreiche Finanzierung fordern, und ein Grossteil der Kleinen Festung wird zumindest für einige Monate für die Öffentlichkeit geschlossen bleiben müssen.

Völlig vernichtet wurde die Ausstelllung über Theresienstadt vor dem Zweiten Weltkrieg, die in den Eingangsräumen stand. Angesichts des sich verbreitenden Schimmels wird es nötig sein, die Ausstellung im Museum der Kleinen Festung zu demontieren. Gerettet wurde lediglich die Ausstellung über Milada Horáková im sgn. Krankenrevier.

Völlig vernichtet wurden auch die Büros und Lesesäle mit der gesamten Ausstattung im Erdgeschoss des sgn. Herrenhauses, des administrativen Hauptgebäudes der Gedenkstätte Theresienstadt. Die einzige gute Nachricht ist, dass es gelungen ist, das hier angesiedelte Archiv und die Bibliothek der Gedenkstätte zu retten. Aus dem Archiv wurden lediglich einige Kartons etwas nass, in der Bibliothek wurden etwa 5 Meter Bücher betroffen. Sowohl die Archivalien als auch die Bücher wurden eingefroren und warten jetzt auf eine fachkundige Restauration.

2. Nationalfriedhof

Der Nationalfriedhof, der sich unterhalb des Terrains der Kleinen Festung befindet, verwandelte sich während des Hochwassers in einen einzigen See. Dank dem schnellen Eingriff der professionellen Feuerwehrleute wurde das Wasser aus diesem künstlichen Teich wieder abgeschöpft; der Friedhof wurde jedoch beschädigt, die Grabsteine sind verschlammt und alle Blumen vernichtet. Die Gedenkstätte hat die Schäden am Friedhof noch nicht beziffert.

3. Das Krematorium und der jüdische Friedhof

Das Krematorium und der jüdische Friedhof, die sich beide am Ufer der Eger (Ohre) befinden, sind beide noch unter Wasser und nicht zugänglich Die Mitarbeiter der Gedenkstätte befürchten, dass die Schäden am Krematorium sehr umfangreich sein werden.

Der Weg zum Krematorium noch unter Wasser.

4. Das Kolumbarium und die zentrale Leichenkammer

Das Kolumbarium und die zentrale Leichenkammer des Theresienstädter Ghettos, die am 16. Oktober 2001, zum 60. Jahrestags des Beginns der ersten Transporte nach ?ód?, feierlich eröffnet wurden, sind schwer betroffen. Das Kolumbarium, wo zu den Ghettozeiten die Asche der verstorbenen Häftlinge gelagert wurde, ist unter Schlamm begraben, die darunter liegenden Exponate vernichtet und ein Teil der symbolischen Grabsteine an den Wänden beschädigt. Die zentrale Leichenkammer befindet sich immer noch unter Wasser und es ist deutlich, dass die neu eröffnete Ausstellung vollkommen vernichtet sein wird. Der Leichenwagen und weitere Gegenstände in den Zeremonieräumen beim Eingang in die Leichenkammer müssen gereinigt und restauriert werden.

Der Eingang in die Ausstellung in der ehemaligen Leichenhalle noch unter Wasser.

5. Das Ghettomuseum

Im Ghettomuseum wurde im November 2001 eine neue und lang erwartete Ausstellung über die Geschichte des Theresienstädter Ghettos eröffnet. Diese Ausstellung gehörte und gehört neben der Kleinen Festung zu den wichtigsten Stationen für jeden Besucher Terezíns.

Im Ghettomuseum wurden die Büros der Bildungsabteilung und der Studienraum für die Jugendgruppen gänzlich zerstört. Auch das teuere elektronische Modell des Theresienstädter Ghettos wurde überflutet, und es ist nicht gewiss, ob seine Inbetriebnahme wieder möglich sein wird. Die Ausstellungen des Ghettomuseums an sich blieben glücklicherweise verschont, lediglich im Teil, der sich den Theresienstädter Kindern widmet, wurde der Holzboden beschädigt.

6. Die Begegnungsstätte

Die Begegnungsstätte wurde vor einigen Jahren in der sgn. Magdeburger Kaserne eröffnet und ist der Kern der Bildungsaktivität der Gedenkstätte Theresienstadt. Es verbindet die Bildungsräume und Unterkunft für Studentengruppen mit Ausstellungsräumen. Ohne eine funktionierende Begegnungsstätte ist die pädagogische Tätigkeit der Gedenkstätte de facto unmöglich.

Räumungsarbeiten in der Magdeburger Kaserne.

Das Hauptgebäude der Begegnungsstätte in der Magdeburger Kaserne ist sehr ernst betroffen. Vernichtet wurden die Büros der Bildungs- und Dokumentationsabteilung, inklusive des Büros der österreichischen und deutschen Freiwilligen, mit allen im Laufe der Jahre gesammelten Dokumenten und Materialien. Ernst betroffen wurden auch die Küche und die Kantine, aus der nur ein Teil der Ausstattung gerettet werden konnte. Schwer betroffen wurde auch das Depot in der Magdeburger Kaserne, wo aber die wichtigsten Exponate und Dokumente nicht gelagert wurden.

Auch einige Originaldokumente wurden in der Magdeburger Kaserne beschädigt.

Im Mai 2002 eröffnete die Gedenkstätte das rekonstruierte zweite Haus der Begegnungsstätte in der Prazská Strasse. Hier wurde von der Flut der Vortragssaal und der Gemeinschaftsraum im Keller und der ganze Erdgeschoss samt Ausstattung zerstört.

Das zweite Haus der Begegnugsstätte nach der Flut.

Zusammenfassung

Die Mitarbeiter der Gedenkstätte Theresienstadt schätzen vorläufig die Schäden auf ca. 60 Millionen Kronen (das entspricht inetwa 2 Millionen Euro); davon sind etwa 30 Millionen Schäden an unbeweglichen Gütern. Die Gedenkstätte Thereseinstadt ist keineswegs imstande, diese Summe aus eigenem Kräften oder von dem Kultusministerium der Tschechischen Republik aufzubringen.

Die Gedenkstätte ist zunächst für die Öffentlichkeit geschlossen, wird sich aber um eine schnellstmögliche Zugänglichkeit zumindest einiger Objekte und Ausstellungen bemühen. Die Ersten Objekte könnten unter günstigen Bedingungen bereits anfang September eröffnet werden.

Die Gedenkstätte Theresienstadt gehört zu den ersten Institutionen Tschechiens, zu deren Aufgaben es gehört, die Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen wachzuhalten - konkret an die des Holocaust. Jedes Jahr wird sie von tausenden, sowohl in- als auch ausländischen Touristen und Studenten besucht. Ohne unsere Hilfe wird die Gedenkstätte Theresienstadt nicht imstande sein, diese ausserordentlich wichtige gesellschaftliche Funktion auszuüben.

Während der Flut ist die Zeit in Terezín stehen geblieben.


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